42 Bachmannpreis-Interessierte hatte ich angeschrieben: Frühere PreisträgerInnen sowie JurorInnen, LiteraturredakteurInnen und BloggerInnen, die das alljährliche Wettlesen am Wörthersee mit großer Aufmerksamkeit verfolgen.
20 Antworten habe ich erhalten.
Ist das viel? Ist das wenig? Ich würde sagen: Das Glas ist halb voll.
Was fällt auf?
Erstaunt hat mich die nahezu einhellige Verweigerung der LiteraturredakteurInnen resp. KritikerInnen. Ich war davon ausgegangen, dass mir gewiss einige kurz und knapp eine Einschätzung mitteilen würden, weil sie
a. es gewohnt sind, sich schnell ein Urteil über Texte zu bilden, und
b. diejenigen sind, die Begriffe wie „typischer Klagenfurt-Text“ gern und häufig verwenden.
Doch keine(r) von ihnen gab „Butter bei die Fische“. Die wenigen, die überhaupt antworteten, ließen wissen, sie nähmen generell nicht an solchen Umfragen teil oder wenn, dann nur gegen Geld. Letzteren können wir tapferen BloggerInnen im Weinberg des Herrn gewiss eifrig zustimmen. Auch wir würden uns unsere Arbeit gern honorieren lassen – machen sie aber trotzdem.
Stärkste Gruppe in mehrfacher Hinsicht waren die SchriftstellerInnen: Sie bildeten die zahlenmäßig größte Fraktion und zeigten sich am meisten antwortwillig. Einige Beispiele:
Georg Klein, Bachmannpreisträger 2000, befand, Projekt wie Texte zeugten von Humor. Die Texte seien "herzlich einladend" und eröffneten "einen eigentümlichen Zukunftshorizont, in dessen Licht der Leser und Zuhörer gerne eintritt." Zum Stichwort "Klagenfurttauglichkeit" gab Klein zu bedenken, dass die Veranstaltung "stark auf die Figur des Autors und das Figurenspiel der Juroren fokussiert" sei.
Peter Wawerzinek, Bachmannpreisträger 2010, antwortete mit einem launigen und zirkulären Text: Darin stellt er Vermutungen über den Verfasser der Texte an, ärgert sich über den zweiten Text, "für mich belangloses zeugs, dass so in handies hineingetutet wird (...) ausserdem macht er sich lustig - man weiß nicht worüber aber - er lästert statt schadenfroh zu tönen. lästern ist immer ungut, dooof untalentiert" und attestiert Text Nr. 3 Langweiligkeit und Anbiederung: Er kratze sich beim Leser ein, man solle denken, hier kämpfe einer gegen Behördenkauderwelsch, den er sich selbst nur einrede." Einzig der erste Text enthalte Ansätze, die einen ködern, und zwar "auffällig lebensnah".
Von Kathrin Passig, Bachmannpreisträgerin 2006, kam eine zweiteilige Antwort: Sie persönlich könne mit den drei Texten nicht so viel anfangen, wolle jedoch im Blick auf die Jury einen Tipp abgeben: "Ich glaube der erste Text wird den Juroren nicht zusagen, aber #2 und #3 könnten gehen." (Warum - das verrät sie leider nicht.)
Desweiteren trafen E-Mails ein, in denen mir mitgeteilt wurde, dass
- aufgrund von Arbeitsüberlastung (neuer Roman!) keine Zeit bliebe, an der Umfrage teilzunehmen,
- ich mich direkt an die Jurymitglieder wenden bzw. bei ihnen bewerben könne (war meine Anfrage tatsächlich so missverständlich, dass sie für einen verhuschten Bachmannpreiswettbewerbsteilnahmeversuch gehalten werden konnte?),
- man nicht wisse, was "Klagenfurttauglichkeit" sei, es doch eigentlich nur literarische Kriterien für die Beurteilung von Texten gäbe,
- Textanfänge nicht ausreichten, um sich ein Urteil zu bilden (außer im Falle von schlechten Texten) und Einreichungen zu den TDDL sich zumindest auf einem Niveau bewegten, wo man schon alle Texte ganz lesen müsse, um sie miteinander irgendwie vergleichen zu können.
Die Schriftstellerin und Bloggerin Pia Ziefle ging ebenso ausführlich wie konstruktiv ans Werk und lieferte eine kleine Analye des Textes, für den sie sich entschieden hatte (Text Nr. 2): Sie fragte nach der "Dringlichkeit" der Geschichte, dem Besonderen von Hortlik, seiner eigenen Sprache, der Bedeutung seiner "Berufswahl" auch und gerade im Blick auf seine Menschenscheu. Darüber hinaus gab Pia Ziefle auch konkrete Schreibtipps: "Insgesamt würde ich zu viel mehr Entschlossenheit in den Sätzen raten, weniger Vergleiche, wenig Begründungsnebensätze. Das ist eben so. Nicht ´weil`."
Kerstin Pistorius, die auf "Atalantes Historien" eigene Buchrezensionen bloggt, fand den "Hortlik"-Text "sehr skurril und sarkastisch" und fühlte sich an Texte von Rosendorfer erinnert. Am ersten Text gefiel ihr, wie die kurzen Sätze am Anfang, Spannung erzeugen, das Ungewisse steigern. Die "Zahlentheorien" am Ende erschienen ihr (zu?) "sehr ausführlich erörtert." Kerstin Pistorius votiert für den dritten Text: "ihn finde ich spannend und würde ihn gerne weiter lesen."
Was hat die kleine Umfrage ge-/erbracht?
- Siehe oben,
- Einblicke in den Literaturbetrieb (so also läuft der Hase, nein, DER n´existe pas!!),
- ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen "Hortlik" und "Loneliness is a crowded room", der am Ende mit einem hauchdünnen Vorsprung "gewinnt",
- Versüßung der Wartezeit bis zu den "Tagen der deutschsprachigen Literatur 2013" und Steigerung der Vorfreude auf diesen "schönsten Betriebsausflug der deutschen Literatur"!
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