Was das Bescheren von anderen Gabenübergaben unterscheidet, sind das Datum und das ganze Bohei, das um dieses Datum gemacht wird.
Niemand käme auf den Gedanken, am 16. Hochzeitstag ins Tagebuch zu schreiben: „Mein Mann und ich – schöne Bescherung.“ Aber unterm Tannenbaum und dem Erwartungsdruck fröhlicher Feiertage wird selbst das Weiterreichen von einem unbeholfen bestückten „Fotokalender zum Selbstgestalten“ als Höhepunkt des herzlichen Miteinanders gefeiert.
Wer Selbstgemachtes präsentiert, spielt in der Oberliga der Bescherer mit. Selbstgemachtes steht für Einzigartigkeit, Kreativität, Heimeligkeit und Ich-hab-mir-für-dich-Zeit-genommen-weil-du-es-mir-wert-bist. Eines herzlichen Dankeschöns kann man sich als Selbermacher auch insofern sicher sein, da die Geschenke, sagen wir, in siebzig Prozent der Fälle nicht nur brauchbar, sondern sogar aufbrauchbar sind, also nicht dumm in der Gegend herumstehen müssen wie der nun schon achte Kerzenständer von Leonardo: Marmelade, Backwerk, Liköre, eingelegtes Gemüse, Kräuterpasten, Pralinen, können verzehrt, Socken, Schals, Handschuhe, Stulpen, Filztaschen getragen, handgesiedete Seifen weggebadet, mosaikverzierte Blumentöpfe draußen vorm Fenster aufgestellt, als Meisenknödelhalter oder Sturmaschenbecher genutzt werden. (Merke: In Zeiten des Überflusses werden „Basics“ wie von Annodunnemal zu Highlights der Bescherungskultur.)
Ein echtes Problem im Zusammenhang mit selbstgemachten Geschenken stellt die wachsende Zahl der Hobbymaler dar. Doch kommen gerade deren Gaben immer „vom Hätze“ und dürfen nicht – zumal an Weihnachten – mit Herzlosigkeit beantwortet werden. Es empfiehlt sich, die Elaborate noch während der Bescherung eingehend zu betrachten und einfühlsam zu besprechen. Gemeinsam sollte ein geeigneter Platz gefunden werden, an dem sie am besten zur Geltung kommen und wo den Rest des Jahres ruhig ein anderes Bild hängen darf – ausgenommen an jenen Tage, wenn der Künstler zu Besuch kommt. Andernfalls droht im nachhinein die gefürchtete „schöne Bescherung“.
Viel geschmäht sind die sogenannten Geschenk-Gutscheine. „Keine Mühe gemacht“, „einfallslos“, „unpersönlich“, rufen die Kritiker und fuchteln mürrisch mit den Kuverts in der Luft herum. Die Hälfte aller Gutscheine, so schimpfen sie, verschwinde sowieso in den Schubladen: Eine angenehme Sache für all jene Gutschein-Schenker, die nicht in Vorkasse gegangen sind!
Die Anhänger der Geschenkgutscheinkultur führen dagegen ins Feld, dass es keineswegs von Einfallslosigkeit oder Unpersönlichkeit zeuge, zum Beispiel einen Didgeridoo- oder einen Brau-Crash-Kurs zu schenken. Leider könnten die aber beim besten Willen nicht schön verpackt auf den Gabentisch gelegt werden! Dasselbe gelte für Wellnesstage-, Reise-, Essens-, Kultur- und sonstwie Event-Geschenkgutscheine: Sie funktionierten halt wirklich nur als Gutscheine. (Erst die moderne Asynchronizität der Ereignisse hat es möglich gemacht, solcherart, nicht 1 zu 1 zu bescheren.) Und in Sachen „Mühe geben“ wird sich die mit einem Sushi-Kochkurs-Gutschein in Form einer gebastelten Puppenstubensushiküche beschenkte Oma wahrlich nicht beklagen können. Vielmehr wird sie gerührt sein, tunlichst vermeiden, schon wieder von ihrer Fischallergie zu erzählen, und spätestens, eine Woche vor dem Kursbeginn ihren japanophilen Kindern den Gutschein zurückgeben: „Wäre doch schade, wenn er verfällt. Seid mir bitte nicht böse, aber ich hatte ganz vergessen, dass ich an diesem Wochenende nach Stuttgart muss – Demo, ihr wisst schon.“
Selbstverständlich sollte der Bescherungsvorgang in einem angemessen festlichen Rahmen stattfinden. Freundlichkeit ist oberstes Gebot. Es ist tunlichst zu vermeiden, die Geschenke auf den Tisch zu donnern, sie einander zwischen Tür und Angel zuzustecken oder kommentarlos vor die Füße zu werfen. Bescherung ist Begegnung, ist Gabenverteilung mit Anstand und Würde in Hülle und Fülle.
Auch hat die schändliche Rede vom Umtausch keinen Platz hier.
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