"Brockmann lehrt, wie man" ... wird ein Nerd

Vorwort

Mein Großvater eröffnete die erste Fahrschule in Paderborn. Ich habe ihn nicht persönlich kennengelernt, denn er starb sehr früh. Ich habe auch nicht das Autofahr-Gen von ihm geerbt, denn ich fahre ungern, langsam und ängstlich.

Vermutlich habe ich aber etwas anderes von ihm geerbt, und das ist die Lust am Worteschmieden (nun habe ich auch des anderen Groß­vaters gedacht, der ein Schmied war, und zwar ein echter). Der Fahrschul-Großvater befeuerte seinen kleinen Schulbetrieb mit zwei eigenen Werbesprüchen.

 

Der erste lautet: „Ob alt du bist, ob jung an Jahren, bei Brockmann lernst du Autofahren.“ Dieser Slogan bewährte sich als der erfolg­reichere. Noch bis vor ein paar Jahren konnte es vorkommen, dass meine Mutter von fremden Menschen auf der Straße mit diesem Spruch begrüßt wurde und sich am Ende herausstellte, dass diese fremden Menschen irgendwann in den letzten Jahrzehnten ihren Führerschein bei uns gemacht hatten.

Der zweite Werbespruch lautet: „Brockmann lehrt, wie man Auto fährt“ und konnte sich, wie gesagt, nicht durchsetzen. Mir aber ge­fällt die schlichte Schönheit des Reims und die Fülle an Varianten, die sich aus dem Verslein generieren lassen, so dass ich es dem Ver­gessen entreißen möchte. Fortan wird es variantenreich adaptiert als Titel für die hier im Blog „angewandte Schriftstellerei im Dienste der Alltagsbeobachtung“.

Alsdann:


Brockmann lehrt, wie man wird ein Nerd

Klar, das wissen alle: Flanellhemd (resp. Hoodie) an-, Hose hoch­ziehen (unten über Knöchel, oben über Hüfte) und dann erstmal ab zum Optiker: Monitorgroße Brillengläser in schwarzer, schlichter Schildpattfassung, gerne auch ein gebrauchtes Modell – das ist nicht nur billiger und schon schön ramponiert, sondern erspart auch Angriffe von Tierschützern der Karettschildkröte.

Wer ohne Brille besser sieht, lässt sich Fensterglas einsetzen. Alle anderen schieben wortlos dem Optiker einen Zettel mit den lieber selbst und damit genauestens ermittelten Dioptriewerten über die Ladentheke. Und nun heißt es aufpassen: Bei der Frage, ob die Brillengläser eine sonnenschutztaugliche Dunkeltönung erhalten sollen, muss mit einem entschiedenen „Nein“ geantwortet werden. Andernfalls droht Ähnlichkeit mit Heino, und der ist kein Nerd.


Auf dem Rückweg 10 TK-Pizza kaufen. Wahlweise könnte man auch ein Pizza-Taxi-Unternehmen damit beauftragen, täglich eine Lieferung vorbeizubringen. Das erspart den Einsatz am Herd (inkl. Gefahrenminimierung, key word: „Herd vergessen“) und reduziert das Risiko, während nächtelangen Problemlösens zu essen zu ver­gessen, praktisch auf Null.


Ganzkörperteflonbeschichtung rund um die Uhr drauflassen, für den Fall, dass Gangs mit ganz anderen numerischen Gaben des Weges kommen und Respektlosigkeiten verbreiten. Also: Entweder plug in (keyword: „Der Klügere gibt nach“) oder rasch neues Plug-in aktivieren, das die Gangs ganz einfach wegfegt.


Das vielgehörte „Iii“, wenn man als Nerd des Weges kommt, gilt es zu reframen (raus aus der Müffelecke!), was in diesem Fall eher der Freilegung des eigentlichen Sinns des „Iii“ gleichkommt: Es steht für „Internet – Intelligenz – Ironie“. Und das ist nicht das Schlech­teste, was einem nachgesagt werden kann. Jepp!

 






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Kommentare: 2
  • #1

    Meike (Dienstag, 06 November 2012 22:16)

    Obwohl sich Nerds zum Beispiel auf ihrem Spezialgebiet mit neuesten Technologien befassen, heißt das noch lange nicht, dass im gesamten Leben auf die "neueste Technik" gesetzt wird. Hierzu ein weiterer Tipp, wie man ein Nerd wird:

    Lehne die Anschaffung bewährter Maschinen, die den Alltag retten, ersteinmal ab. Sei anders.

    Dass man mit seinem Gehalt durchaus in der Lage wäre, sich eine Waschmaschine zu kaufen, heißt als Nerd noch lange nicht, dass man sich eine kauft. Warum sollte denn der Waschsalon nur den Studenten dienen? Und mit dem Rad und dem Bundeswehrrucksack die Wäsche zu transportieren (nasse sowie trockene) ist zwar nerdy, aber man kann während die Waschmaschine läuft an der frischen Luft in der neuesten IT-Literatur schmökern.
    Wenn der Waschsalon am Wochenende nun aber leider geschlossen hat und man am Freitag erfahren hat, dass am Montag eine mehrtägige Dienstreise ansteht und die Wäsche leider nicht sauber ist, bekommt man ein Problem.
    Doch so schnell lässt sich der Nerd nicht aus der Ruhe bringen. Mit dem Rad und dem Bundeswehrrucksack sind es gerade mal 40km bis zu Mama. Und dabei kommt auch der Sport nicht zu kurz.
    Waschmaschine kaufen? Nein. Sei ein Nerd.

  • #2

    walk-the-line (Mittwoch, 07 November 2012 07:39)

    Welch interessanter Hinweis auf Brüche in der Technik-Affinität von Nerds!
    Besten Dank für die Co-Lektion und liebe Grüße!