Kuranstalt. Dokumentationsroman einer Maßnahme - 8

En la piscina


Die Benutzung des Kurklinik-Schwimmbades ist nur mit ärztlicher Erlaubnis möglich und heißt dann „Freies Bewegen/Üben im Schwimmbad“. Wenn ich mit dem Plazet meiner Frau Dr. Kro­kowski ins Wasserbecken steige, um mich dort frei zu bewegen, stoße ich in neun von zehn Fällen auf folgende Arten von Freibe­wegern:

Da gibt es die Wale. Die dümpeln selbstgenügsam im Wasser. Hin und wieder schwimmen sie die ein oder andere Bahn, was sehr ma­jestätisch und irgendwie meditativ aussieht. Die Rückenlage scheint ihre bevorzugte Schwimmposition zu sein.

Heute habe ich einen Wal gesehen, von dem nur zwei Kamelhöcker und ein kleiner runder Kopf mit Brille aus dem Wasser ragten. Die­ser Wal schwamm die ganze Zeit nur Rücken. Er schaute nieman­den an, um vielleicht zu grüßen, und auch nicht hinter sich, um vielleicht zu gucken, ob die Bahn frei war. Wahrscheinlich weiß so ein Wal einfach um seine majestätische Ausstrahlung, die wie eine Art Vorfahrtsfreischein wirkt. Alle anderen Fische wichen ihm aus. Keiner sagte etwas. Doch auf einigen Fischgesichtern las ich Un­mut. Einmal stand da sogar: „Du fette Qualle, gleich ramm´ ich dich!“ Doch da steuerte der Wahl gerade die Treppe an und stieg aus dem Wasser. Ich meine, ich hätte eine leichte Heckwelle ge­spürt.

 

Dann gibt es die Delphine. Die stehen fußpaddelnd in Dreier- bis Fünfer-Kreisen zusammen und schnattern aus hochgehaltenen Schnäbeln. Man fragt sich bei ihnen immer gleich, warum sie so hartnäckig schwimmfrei im Wasser ausharren, wo doch so schöne Liegen am Beckenrand stehen, auf denen man es sich gemütlich machen könnte. Aber nein, sie wollen nur im, statt am Schwimm­becken kakeln. Fragte man sie, würden sie wahrschein­lich sagen: „Wir können hier nicht raus, wir müssen schwimmen, das steht auf unserem Plan.“

Vielleicht sollte ich mir einen Kaffee- und Kuchenbauchladen bas­teln und damit vor den Delphinen einherschreiten. Dann könnten sie es sich im Wasser noch gemütlicher machen und ich könnte mir von den Einnahmen gewiss schon nach einer Woche die schöne Korallenkette kaufen, die ich in der Auslage eines feinen Gold­schmiedelädchens in meinem Kur- (bäh!, und eben nicht Reha-) ort gesehen habe.

 

Des weiteren gibt es die sportiven Bahnenzieher. Die schwimmen, als wollten sie sagen: „Seht her ihr Krüppel, das hier ist Schwim­men. Wenn ich nicht beim Training für den Ironman diesen blöden Band­scheibenvorfall gehabt hätte, wäre ich nie im Leben mit euch Pack hier in ein und dasselbe Wasser gestiegen. Hoffentlich kann ich bald wieder unter normalen Bedingungen trainieren. Auuuh – oooh – ahhh ! Dieser Scheiß-Vorfall!“

Ja, liebe sportiven Bahnenzieher, kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort.

 

Schließlich gibt es noch die Eifrigen. In der Regel sind sie unsport­lich, geben sich aber alle Mühe, den vorgegebenen Trainingsplan abzuarbeiten, und zwar möglichst genau nach den Anweisungen, die sie bei den Einweisun­gen „Wassergymnastik“ und „Bewe­gungsbad“ erhalten haben. Die Eifrigen haben entweder die Lippen fest aufeinandergepresst oder einen kleinen Zungenzipfel im Mund­winkel hängen. Sie grüßen scheu und fürchten beobachtet zu werden. Am liebsten hätten sie ein Kopfgestell, in das sie ihren Trainingsplan so klemmen könnten, dass er direkt vor ihrer Nase hinge und sie keine Fehler machen müssten. Da aber selbst sie wis­sen, dass das ziemlich blöd aussähe, nehmen sie grummelnd in Kauf, dass sie die ein oder andere Übung ihres Planes, den sie vorher auf dem Zimmer auswendig gelernt haben, nicht ordnungsgemäß ausführen.

Ist doch nicht so schlimm, möchte ich ihnen zurufen. Aber sie wür­den mir ja doch nicht glauben.

 

Und wohin gehöre ich? Ich gehöre zu den ganz Normalen, die ein bisschen schwimmen, ein bisschen dümpeln, sich frei bewegen und auch mal umgucken, ein Schwätzchen halten, ein paar Wassergym­nastik-Übungen ausführen und auch mal zügig zwei Bahnen zie­hen, damit klar ist, dass ich nicht zu den (lahmen) Enten gehöre.

 


 

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