Leaving Twitter

 29.Juni 2012
@FrauZiefle Ich bin Ihrem Rat gefolgt und versuche es - Mönsch ist das noch alles undurchsichtig!

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20.07.2020

Warum #weitermachen, wenn die meisten Sachen, die ich mache, hier doch kaum wen interessieren. Also hör ich auf. Ich danke für Vieles, tolle Leute, die ich hier kennengelernt habe. Alles Gute!

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Der alljährliche Bachmannwettbewerb war mein Einstieg bei Twitter. Pia Ziefle hatte mir gemailt, dass man als echter #tddl-Fan, den im Fernsehen übertragenen Wettbewerb nicht ohne begleitende Twitterbeteiligung verfolgen kann. Sie hatte recht. Es machte großen Spaß, ich traf auf interessante Leute und blieb.

 

Es begann eine gute Zeit, meine Twitter-Community wuchs langsam aber beständig. Ich habe viel Anregungen, Tipps, Unterhaltsames und Nachdenkenswertes geschenkt bekommen. Kontakte sind entstanden, die zu persönlichen Freundschaften geworden sind, alte Freundschaften erfuhren einen kleinen Relaunch. Eine angenehme Gesprächsrunde, weitgehend abseits vom dumpfbackigen Twitterpöbel.

Aber natürlich bleibt man auf Dauer nicht gefeit vor den Effekten der großen Hysterisierungs- und Empörungsmaschine Twitter. Irgendwann habe ich mich immer häufiger dabei ertappt, mit der Schere im Kopf zu twittern: Wer könnte jetzt was wie falsch verstehen und was für ein Stress könnte sich daraus ergeben? Ist dieses Wort ein Reizwort? Sollte ich jene Meinung nicht besser für mich behalten? Wie käme ich mit einem Entrüstungssturm klar? - Vielleicht ist Twitter auch einfach ein ungeeignetes Forum für echte Kontroversen.

 

Ein Anderes war das zunehmende Missverhältnis zwischen bekundetem und tatsächlichem Interesse an den Dingen, die man macht. Freundlich formuliert: Wir reagieren höflich, sind aber schon genug mit unserem eigenen Kram beschäftigt. Der Großteil meiner Twitter-Community interessiert sich für Literatur, Frauenthemen, Humor. Da schien mir, einige könnten sich für meine Texte interessieren. Einige tuen das, doch viele andere Einige sagen: Toll, interessant, lese ich gerne später, im Moment echt keine Zeit. Oder sie erwarten selbstverständlich, dass man ihnen jede Arbeit frei Haus liefert (schließlich kennt man sich ja von Twitter), oder aber sie besitzen nicht mal die Höflichkeit zu antworten, wenn man sie direkt kontaktiert (ein klares Nein, wäre allemal besser als Schweigen).

 

Ich glaube, mein Fehler war, dass ich "mein" Twitter als eine Art Kaffeehaus betrachtet habe. Jeden Morgen geh ich dorthin. Grüße die, die vor mir schon da sind. Wir lesen und kommentieren ein paar Feuilleton-Artikel, halten hier einen kleinen Plausch, erzählen einen Witz, tauschen ein Rezept aus, beobachten und lauschen, was der oder die sich heute wieder haben einfallen lassen, halten ein Auge aufeinander, wollen wissen, wie es den anderen geht, was sie machen. Verbindlich eben. - Wer so denkt, wird bekümmert, wenn sie mal zwei Wochen nicht anwesend ist, und keiner fragt nach.

 

Am 20. Juli habe ich mich von Twitter verabschiedet. Einen Punkt setzen. Kein stummer Schrei nach Liebe. - Wer wie darauf reagiert hat und wer nicht, war eine gute Erfahrung und hat mir einmal mehr deutlich gemacht, dass mein Problem mit der Twitterei von falschen Erwartungen meinerseits herrührt. Es ist kein Kaffeehaus, sagt mein bester Freund, es ist ein Spielautomat: Du wirfst oben was rein und kannst nie wissen (geschweige denn erwarten), ob unten was rauskommt, was unten rauskommt. Ein relativ neuer Follower schrieb: Wenn man ohne Erwartungen hier mitmacht, wird alles gleich leichter.

 

Nun denke ich, ich sollte es noch einmal, also, anders versuchen. Und werfe ein Stück in den Spielautomaten. Dieses hier.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Liselli (Samstag, 12 September 2020 14:33)

    Hallo, da es keine gepflegten Kaffeehäuser mehr gibt, kann twitter kein Kaffeehaus sein. Aber es kommen hier Menschen vorbei, die früher alle in Denkkaffeehäusern waren und dort vertrieben wurden, sei es weil der Kaffee schlechter wurde, rauchen durfte man auch nicht mehr und über Mittag dort zu sitzen, ganz unmöglich, die Erwerbstätigkeit schickte ihre geistigen Feldjäger aus.

    Twitter ist dafür ein gigantischer Blumenladen, ein Baumarkt und eine schlecht aufgeräumte Küche. Turbopflänzchen, die #Nazisraus rufen und ganz vorne dabei sind, hilfloses Agieren aus dem Baumarkt, Dünn- und Dickbrettbohrer aller Orten, da kann man schon eher am Diskussionsschräubchen drehen. Und dann gibt es einfach Situationen, da wird es heiß in der twitter Küche, man wird denunziert, gemieden, gemeldet, es kommt Beistand, Zuruf, Stummschalten, kleine Hetzjagden, fast wie im richtigen Leben, Sitzen in der falschen Abteilung, ein Knick und es ist aus im Haltungsministerium. Zurück in die Schmuddelecke, weitermachen.

    Und dann sortiert man, man sortiert auch aus, manches klärt sich, es kommt der DM-Beistand und niemals ist man ganz allein. Wer immer bei sich war, ist niemals allein. Man kennt seine Überzeugungen, weiß noch, was es heißt politisch korrekt, verantwortungsvoll zu denken und zu handeln. Demokratie, Demokratie und nochmals Demokratie.

    S'Mensch an sich hat kaum noch Zeit zum Lesen, das Papierlesen verschwindet, früher war die Zeitung noch ein Mega-Schutzschirm gegen dünne Lüftchen in der U-Bahn, das Butterbrot-Feuilleton für mehrere Tage, das "Schild & Schwert" der Erkenntnis, Denken in luftigen Höhen. Die Haltung zieht alles herunter und unten angekommen trifft man auf Menschen, die wiederum Turbopflänzchen sind, Haltungsdünnbrettbohrer, Schmutzthesen aus der ungeputzt Küche werfend. Schnell aufstehen, weitergeht, immer weiter, zu den Büchern, die man noch nicht gelesen hat, die man schon immer und wieder einmal noch lesen will, oder man setzt sich auf einen Hocker am unmöglichsten Ort der Welt und sofort schleicht die sockenlose Erkenntnis hoch: In New York ist es auch nicht spannender, warum dann nicht bei twitter bleiben. Und was habe ich hier leise vor und leise schon in mich hineingelacht, über unglaubliche Wortkünstler, anständige Menschen, perfekte Gärtnerinnen, Philosophen*innen vor dem Herrn, tieftraurigem elend erkrankte Menschen, dennoch hier. Manche ziehen das letzte Worthemd hier aus und es wird nicht besser, es geht immer noch tiefer. Aber die gut Belichteten, die hell Erleuchteten, die Wortfindungskünstler, Roman- und Kurzspannungsgeschichtenschreiber, die sind alle hier und darüber bin ich froh und glücklich, mit denen, genau mit denen acht das Twitterleben Spaß. Twitterhierbleibebefehl: Ich bitte darum.