Die Gewinner sind gekürt. Die Mehrheit ist's zufrieden.
Die Jury - so mein Eindruck - nicht. Ich auch nicht.
So es sich nicht um gänzlich neue, unverbrauchte Themen handelt, gilt für die Bewertung literarischer Texte - zumal im Rahmen hochwertiger Literaturwettbewerbe - dass die Form höher gewichtet wird als der Inhalt: Nicht das "Was", sondern das "Wie" interessiert. Wie wird in und mit der Sprache gearbeitet? Ist ein eigener Ton erkennbar? Wird etwas gewagt in Sachen Stil, Doppelbödigkeit, Verfremdung, Differenzierung, Wortschöpfung? Von diesem Kriterium war auch in den Jurydiskussionen bei den TddL 2018 die Rede - als Anspruch.
Da erstaunt es nicht wenig, dass am Ende auf der Short- und Winnerlist Texte herausgehoben werden, die formal wenig wagen, dafür inhaltlich etwas aufgreifen, dessen gesellschaftspolitische Relevanz nicht infrage steht, so man nicht irgendwelchem rechtspopulistischen Dumpfbackentum anhängt: Themen mit Bezug auf die Situation von Flüchtlingen (Maljartschuk) oder gegen das Vergessen einer dunklen Vergangenheit, sei es der individuellen/familiären Geschichte (Bjerg), der Nazigewalt (Edelbauer) oder rechtsradikaler Brandanschläge (Dündar).
Das Problem, um das es mir geht, besteht nicht darin, ob und dass Literatur gesellschaftsrelevante Themen aufgreifen und verhandeln soll, sondern dass diese Themen oder auch die Biographie von AutorInnen nicht selten eine bestimmte Befangenheit bzw. eine positive Voreingenommenheit erzeugen, in der formale Aspekte dann leicht relativiert und als zweitrangig abgetan werden.
Bezogen auf den Text "Frösche im Meer" der Bachmannpreisträgerin Tanja Maljartschuk wurde allenthalben dessen handwerkliche Solidität gelobt. Was hat er in Sachen Kunst gewagt? Hier ließ die Jury Nachsicht walten. Da muss mit Roman Bucheli von der NZZ
"die Bemerkung erlaubt sein, dass sich die Jury wohl auch etwas von der zur Sentimentalität neigenden Schlichtheit blenden lassen hat. Er kolportiert in seiner finalen Passage die Bilder vom guten Flüchtling, von bösen Nachbarinnen, hinterhältigen Nichten und dummen Polizisten auf eine plakative Art, die man einem gebürtigen Berliner, Wiener oder Zürcher nie und nimmer durchgehen liesse."
Es steht zu vermuten, dass es bei der Jurydiskussion, wer für die Shortlist nominiert werden soll, hoch hergegangen sein muss. Selten gab es in den diversen Abstimmungsdurchgängen für die einzelnen Preise so viele verschiedene Nennungen, dass man den Eindruck hatte, es gäbe keine klaren Trends, sondern jeder Juror, jede Jurorin bestehe beharrlich auf der Favorisierung des selbstgewählten Textes gegenüber denen der anderen Jurymitglieder. Für eine komplizierte Meinungsbildung in der Jury scheint mir auch die Tatsache zu sprechen, dass teilweise Texte, die in den Diskussionen der vorangegangenen Tage mehrheitlich positiv besprochen wurden, wider Erwarten nicht auf der Shortlist erschienen (z.B. "Destination: Austria von Stephan Groetzner), während umgekehrt Texte, an denen die Jury kaum ein gutes Haar gelassen hatte, plötzlich nominiert wurden und sogar einen Preis erhalten haben (wie "Warten auf Ava" von Anna Stern).
Man würde gerne Mäuschen spielen bei den Gesprächen der JuroInnen.
Kommentar schreiben