Bachmannpreis - 12 / Wuff-Wuff-Wuff

Herr Anton will wissen, warum in dem Text da hinten kein Hund vorkommt.
Herr Anton will wissen, warum in dem Text da hinten kein Hund vorkommt.

  ... hier folgt die Fortsetzung.


In dem Text von Hugo Ramnek kommt zwar kein Hund vor, dafür aber unaufhörlich eine Echse und viel, nach Meinung von Frau St­rigl, zu viel symbolisch aufgeladene Sexualität: „Das ist hier der Hund – der innere Hund ist hier die Kellerechse.“

 

Bei Andreas Stichmann heißt es an einer Stelle: „Hunde zerrten an Ketten“. Da ist „Der Einsteiger“ gerade auf seinem Weg zum „schöns­ten Wohnblock der Welt“ ...

 

In Sabine Hassingers Text „Die Taten und Laute des Tages“ liest man mehr von Katzen als von Hunden. Es wird erwähnt, „die Ver­wunschene“ habe eine „Tierärztin die im Morgengrauen säckewei­se Bettwä­sche bringt, die ihre vielen Hunde mitführt Fleisch und Streu für die Katzen, sich mit Hündin Rosina Zungenküsse gibt“. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Jury diese bedenkenswerte An­gewohnheit kommentiert hätte.

 

Der Romanauszug „Junge Hunde“ von Cornelia Travnicek beginnt so: „Vor zwei Wochen ist Baghira gestorben. Ich glaubte immer, Tiere würden sich zum Sterben verkriechen. Baghira inszenierte ih­ren Tod im Wohnzimmer unseres Hauses, auf dem einzigen teuren Tep­pich.“ Beim Versuch, die tote Hündin im Garten zu begraben, erinnert die Ich-Erzählerin Ereignisse vom Leben an der Grenze zwischen Kindheit und Erwachsensein. Sie erinnert sich an eine Party, ein totes Reh und daran, wie sie und ihr Freund Ernst die bei­den ausgewachsenen Beagle Baghira und Balo von seinen Eltern geschenkt bekamen, weil die Eltern der Ansicht waren, sie „seien jetzt alt genug, um ernsthaft Verantwortung für ein anderes Lebe­wesen zu überneh­men.“

Nun, Jahre später, ist Baghira tot und der Vater der Ich-Erzählerin wird ins Altersheim gebracht. Beim Ver- bzw. Begraben der Hunde­leiche erwägt die Ich-Erzählerin, den Kollegen-Beagle darüber zu informieren, dass Baghira gestorben ist: „Ich würde zum Haus von Ernsts Eltern gehen müssen und Balu er­zählen, was passiert war. Die beiden Hunde hatten sich jeden Tag ihres Lebens gesehen. Balu würde mir seinen Kopf auf den Schoß legen, wie Baghira schon am ersten Tag, er würde mich ansehen, scheinbar verlegen zwinkern, und er würde nicht verstehen.

 

Die Jury sagt:

„Tiere sind in dieser Geschichte zum ersten Mal wirklich Tiere, le­bendige Lebewesen und keine Symbole. (…) Die Geschichte fängt damit an, dass die Erzählerin den Hund beerdigen soll, sie hat ihn auf dem Arm wie ein Kind, also eine Geschichte, die das Ende der Kindheit beschreibt.“ (Feßmann)

„Ich habe große Sympathie für die Geschichte, denn wir hatten einen Dackel und der hieß Mogli, der hätte gut zu diesen Hunden gepasst.“ (Strigl)

„Es wird zwar hier ein Hund begraben. Aber wo tatsächlich im Text der Hund begraben ist, ist mir auch nicht ganz klar geworden. (…) Das große Geheimnis, der Hund des Textes, den konnt ich nicht finden.“ (Jandl)

So gut, so schön. Aber einen Redebeitrag vor Herrn Jandl, kam der eigentliche Klopper: Und es macht immer wieder Spaß und Freude, dabeizusein! Bitte anschnallen und festhalten: „Wie fein es gearbei­tet ist, können wir vielleicht an einem anderen Beispiel mal zeigen. Wenn der Dackel bei Strigls zuhause schon Mogli heißt und wir hier Baghira und Balu haben, hat ja jeder für ne Sekunde die Dschungelbuch-Assoziation, das ist schon klar. Aber die trägt na­türlich weiter. Mogli ist adoptiert, ja, von Tieren adoptiert, wie Ernst als Chinese von Österreichern oder Deutschen adoptiert wur­de. Und am Ende heißt es, Ernst ging zu seinem Ursprung zu­rück, nach China, suchte nach seinen Ursprüngen, am Ende wird Mogli, ja, bei Kippling entlassen in die Menschenwelt, die Tiere, Baghira ist der Erzähler, trauern ihm nach, und er muss zu seinen Ursprüngen zurück. Also selbst in diesem strengen Sinne ist es eine Kontrafraktur des Dschungelbuchs.“

Booh eye. Dieser Deutungssaldo, quasi auf der Schweißspur des Dackels Mogli Strigl, war für mich das Highlight des hermeneuti­schen Kettenkarussels von Klagenfurt!!!!!!!!!!

 

Nur am Rande und der Vollständigkeit halber erwähne ich noch, dass in Lisa Kränzler Kindergarten-Geschichte „Willste abhauen“ einmal davon die Rede ist, dass die neugierigen Augen der Kinder­gärtnerinnen „wie Hundeschnauzen in allem (wühlen), was Schlüsse auf die häusliche Herkunft erlaubt“, und es an einer  ande­ren Stelle heißt, dass die Mädchen durchs Dorf zogen „vorbei an ahnungslosen Nachbarn, die uns noch für Mädchen hielten, wo wir uns längst in Pferde, Hunde oder Fabelwesen verwandelt hatten.“

 

Waren Hunde die dominierende Tiergattung bei den diesjährigen TDDl, so waren sie doch nicht die einzige. Es traten auf: Bären (Stichmann), Echsen und ein Krokodil (Ramnek), Katzen (Hassinger, Kränzler), ein Reh (Travnicek) und Frösche (Nawrat).

Hat das nun mit der Tierliebe zu tun, die im Fahrwasse einer starken Vegetarismus-Strömung im Gefolge von Jonathan Safran Froers „Fleischlos glücklich“ und Karen Duves „Anständig essen“ neu belebt wurde? Oder ist es aus der Tatsache herzuleiten, dass bei den diesjährigen TDDL gehäuft Kindheits- und Pubertätsgeschichten vertreten waren, wie Judith von Sternburg meint, wenn sie feststellt: „Eine praktische Folge des Kindheitsthemas war, dass es in den Texten von Tieren nur so wimmelte: symbolisch teils stark belastete Hunde zumal“?

Das mag in einer schönen Pro- bis Hauptseminararbeit entschieden werden, für die an dieser Stelle schon mal die Fundstellensammlung zusammengetragen wurde.

Werde ich eine Rückmeldung über die Forschungsergebnisse bekommen?

 

 

 

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