Ruhestand. Dokumentationsroman einer moralischen Entrüstung - 13

9. März 2012

Sie hat die Haare ab, sie hat die Haare ab, sie hat die Haare ab,
sie hat die Haare ab! Olé, olé-olé-olé! Bettina Wulff hat eine neue Frisur – das ist eine der am häufigsten vermeldeten Nachrichten zum Ereignis des gestrigen Zapfenstreiches. Frau Wulff hat sich den al­ten Zopf abgeschnitten und tut damit kund, dass sie, was war, hin­ter sich lässt: Cut! Und auf zu neuen Ufern!

Frauenzeitschrifter­fahrene wissen: Eine neue Frisur ist nicht nur wie ein neues Leben, sie kann auch viele verschiedene Motive haben, zum Beispiel dass frau a.) sich selbst neu erfinden will, b.) mit der bisherigen Frisur wie die Großtante ihres fremdgehenden Gatten aussah, c.) einfach Spaß an Veränderung hat, d.) ihr Selbst­bewusstsein stärken möchte, e.) keine Lust mehr auf lebenszeitraubende und lebenslustgefähr­dende Haarpflege hat, Lösung: Kahlrasur, oder f.) sich gerade trennt, getrennt hat oder trennen will. Be­ratungsexperten meinen, in einer krisenhaften Situation bedeutet eine neue Frisur, frau nehme erstmal eine einfache Veränderung vor, durch die die Welt schon gleich wieder anders aussehe. Frau (wahrscheinlich aber auch man) habe das gute Gefühl, etwas getan zu haben, fühle sich darob einfach besser und könne sich im Spiegel wieder an­schauen.

 

Nun, ich finde die Veränderung von Frau Wulff jetzt nicht sooo gravierend, maximal 12 Zentimeter kürzer, kein Farbwechsel, nicht mal Strähnchen, aber wenn alle davon reden, muss es ja wohl ir­gendwie bemerkenswert sein. Bemerkenswert wie ihr fröhliches Lachen während der Rücktrittserklärung ihres Mannes, genauso wie bei der Rückfahrt von Berlin, beim Einzug in Großburgwe­del und beim Großen Zapfenstreich. Eigentlich lacht sie immer so frisch und frei, dass sich der Eindruck aufdrängt, sie findet alles ganz in Ordnung, so wie es läuft. 16 583 Euro im Monat, ohne et­was dafür zu tun, sind natürlich auch ein sofort einleuchtender Grund, fröhlich zu sein.

Aus verständlichen Gründen kann ich da nicht frisch und frei mitla­chen. Meine Fröhlichkeit verrinnt wie frisch abgeschnittene Haar­spitzen, die im Waschbecken weggespült werden. Ich gräme mich und seh von fern das scheeläugige, blasse Mannweib nahen, träge und ausgezehrt kommt es auf mich zu, unaufhörlich seufzend, streckt die Hand nach mir aus und will mich auf seine Seite ziehen. Das Weib, von dem Nietzsche warnend sagt, es sei mit dem Glück, dem offenen, lachenden Glück unvereinbar, denn der Neidische könne nie wahrhaft glücklich sein. Huuh, ich darf mich nicht von der Scheeläugigen auf ihre Seite ziehen lassen! Ich möchte glücklich sein! Und fröhlich.

Und wer könnte mich jetzt schnell mal eben wieder heiter stimmen? Genau: Thomas Rath. In seiner alles umfassenden Fröh­lichkeit nimmt er sogar den bösen Neid auf die leichte Schulter. Und wie? Zum Beispiel so: Da tänzelt er, der teilweise naturbe­dingte Glatzkopf, strahlend zwischen den schönen Langhaarigen hin und her und flötet in die Runde: Ich bin voll neitisch auf tiese wunterschönen Haare, ich sage auch immer, wenn ihr zum Friseur geht und lasst eure Haare abschneiten, gebt sie mir, ich pflanze sie mir ein. - So wie der Thomas muss man es machen: Sich auf keinen Fall vom Neid zerfressen lassen. Vielleicht sollte ich mir das zum Vorbild nehmen und bei Frau Wulff freundlich nachfragen, ob sie mir das Wechsel­geld vom Ehrensold überlässt.


Nun ist so viel von Frisuren die Rede gewesen und die eigentliche Hauptfigur des Zapfenstreichs nicht einmal erwähnt worden. Dabei meine ich gesehen zu haben, dass auch Herr Wulff vorher beim Friseur war. Waschen, schneiden, tönen, fönen, würde ich behaup­ten. Und ich be­haupte noch mehr: Wahrscheinlich hat er das nur wegen des Alt­bundeskanzlers Schmidt gemacht, der ihm vor kurz­em sein Zu-jung-Sein vorgeworfen hatte, obwohl Herr Wulff – und das kann ich bezeugen! – von dem Moment an, da er zum Bundes­präsidenten gewählt worden war, sogleich viel bedächtiger einher­schritt, stets altvä­terlich schaute, sprach, winkte, lächelte und sein sauber ge­scheiteltes Haar unentwegt staubgraufarben trug, so als wollte er böser Kritik zuvorkommen und aller Welt demonstrieren: Seht her – auch du ach so temperamentvolle Gesine Schwan! – das Amt des deutschen Bundepräsidenten ist nur was für versteinerte Ruhe­ständler. Und nun geht er dank einer pfiffigen Haarveränderung geradezu jungenhaft von dannen, als wollter er seinem hochbetag­ten Kritiker zurufen: Sieh her, du alter Knacker, in Wirklichkeit bin ich noch viel jünger, als du dir das überhaupt vorstellen kannst, bäh!


Vielleicht aber auch hat Herr Wulff aus Langeweile ein wenig in den Frauenzeitschriften seiner Gattin geblättert und dabei erfahren, was eine veränderte Haartracht so alles bedeuten kann. Indem kommt Frau Bettina mit dem feschen Bob vom Friseur, man redet kurz über Trennung, einigt sich vergleichsweise schnell aber dar­auf, dass im vorliegenden Fall wohl eher andere Motive infrage kommen. Gottseidank, wie­der ein Problem weniger!

Erleichtert tritt Herr Wulff auf die schöne Terrasse seines schönen Hauses, betrachtet die vielen Kirschlorbeersträucher, die in erstaun­lichem Tempo zu einer blickdichten Hecke zusammenwachsen, und denkt: Die Bettina macht sehr schön vor, wie man es richtig macht: Typveränderung ist das Lösungswort! Er ballt die Siegerfaust in der Hosentasche seiner Brax-Jeans. Demnächst wird er mal zu einer von diesen Typberaterinnen gehen und testen, was man aus ihm herausholen kann. Typ Schwiegersohn ist durch, erster Diener mei­nes Staates auch. Viel­leicht sollte er seine Haare dunkel färben, sie mit Gel frisieren, sich einen dieser moder­nen engen Beatles-Anzü­ge anziehen und eine Woody-Allen-Brille aufsetzen. Dann könnte er in zwei Jahren, wahrscheinlich sogar schon früher, das politische Par­kett wieder betreten. Es würde sie alle umhauen, keiner würde ihm Übles nachtragen. Er könnte sich auf einen EU-Posten entsen­den lassen. Und dann tschüss Großburgwedel, ab nach Brüssel! Bet­tina mag belgische Trüffel so gern. Am besten, er ruft jetzt gleich mal den Stoi­ber an.

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Kommentare: 3
  • #1

    Zaunrübe (Samstag, 21 April 2012 14:24)

    Der letzte Eintrag ist vom 11. April. Ich warte auf Nachrichten u.a. vom Hund. Also tapfer "weitermachen"...

    die zaunrübe

  • #2

    Doris Brockmann (Samstag, 21 April 2012 14:46)

    Mensch Zaunrübe! Da bin ich aber froh, dass hier tatsächlich einer mitliest.
    Hatte mir vorgenommen, so lange eine Schreibpause einzulegen, bis sich hier mal jemand meldet.
    Dann muss ich jetzt wohl wieder "ans Werk"...

  • #3

    Zaunrübe (Sonntag, 22 April 2012 13:33)

    Ha ... es lesen wahrscheinlich mehr mit, als Du denkst!
    Also wir warten ...