Klagenfurt - Am Rande des Geschehens 1

01.07.2014 Dienstagabend, 20.00 Uhr. Auf meinem Weg nach Klagenfurt stehe ich mit einer Stunde Wartezeit am Essener Haupt­bahnhof beim WM-Publicviewing. Der Nachbar rechts sagt: „Der Poldi hat sich noch gar nicht bei mir gemeldet.“ ??? „Der Poldi, nah, wie heißt gleich noch unser Torwart.“ „Neuer.“ „Genau. „Wir telefonieren und smsen ja ständig miteinander, auch die andern aus der Mannschaft.“ „Dafür haben die Zeit?“ „Ich mach ja das ganze Merchandising für die, also für die Bayern und für die Nationalmannschaft, aber nicht nur für die, wir machen auch Fashion, Sozialprojekte, Erotik und demnächst auch noch Modelcasting ...“ Und so geht es in einem fort weiter und weiter auf der Geschichtenerzählerleiter. Dabei will ich doch erst noch hin zu dem Ort, wo mir viele erstaunliche Geschichten erzählt werden.

Der erste Nachtzug meines Lebens ist mit einem völlig leeren Ruheabteil ausgestattet. Ich setze mich direkt hinter die Fahrer­kabine und bekomme Co-Pilotinnenfeeling. Ein superfreundlicher Schaffner (den Ausdruck „Zugbegleiter“ lehne ich ab) lässt mir auf meine Frage, wo ich denn hier ein Schlafbier bekommen könne, binnen Kurzem ein solches servieren. Das glaubt mir keiner. Und wie ruhig es hier ist. Kein Handygetute und -geblase. Und im Zeitplan sind wir auch, die Klimaanlage funktioniert. Hoffentlich geht hier gleich keine Bombe hoch oder der Zug aus den Gleisen, so weltmeisterballrund wie das alles hier läuft.

 

Der Zug bleibt auf den Schienen und ich, ich bleibe wach. Im Morgengrauen steigen in Augsburg Männer mit kieksigen Stimmen und kehligem Lachen ins Abteil, Studenten und Berufstätige, denen eigentlich nichts Besonderes anhaftet, die nur mir eigenartig erscheinen, weil ich sie mit meinen nordrhein-westfälischen Ohren nicht verstehen kann. Die Kirchen tragen inzwischen fast alle einheitlich Zwiebeltürme. Alles so schön rund hier. Und überall ein See, ein Teich, ein Fluß. Welcome in Bavaria.

Riesige Gebirgs- und Gesteinsformationen unter Wolkenwatte­bäuschen – von Salzburg an bis Klagenfurt. Im Nachbarabteil lebhafte, heitere Gespräche in einer anderen mir unvertrauten Sprache. Ich vermute, es ist Slowenisch. Darüber werde ich heute Abend beim Eröffnungsvortrag von Maja Haderlap einiges erfahren. Der serbischstämmige Taxifahrer in Klagenfurt fragt mich, ob in Deutschland noch viele Trabis fahren. In seiner Heimat gebe es davon noch viele, und dann erzählt er, wie einmal der Esel seines Onkel den Kotflügel von dessen Trabi aufgefressen hat.

Im Hotel begegnet mir wieder außergewöhnliche Freundlichkeit. Dabei bin ich doch auch hier nur als normale Kassenpatientin unterwegs. Steht wohl alles unter einem guten Stern (wenn man mal das Wetter ausnimmt, aber egal).

Husch-husch zum ORF. DIE Tasche entgegennehmen:

 

Tja, und dann beginnt vor und nach der offiziellen Erföffnungszeremonie ein Reigen wunderbarer Begegnungen mit Menschen, die der Zufall mir schickt. Und ich muss sagen: Der Zufall hat eine gute Wahl getroffen!

Nachts um eins bei strömendem Regen Rückfahrt mit dem Fahrrad zum Hotel.

Für´s Tagebuchschreiben ist der Akku dann aber leer - nicht der von den technischen Geräten.

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Kommentare: 1
  • #1

    Atalante (Donnerstag, 03 Juli 2014 23:05)

    Cool, nicht nur die Tasche. Erwarte dringend weitere Meldungen.